Presse 2021

Göttinger Kulturkalender August 2021

Bezaubernde Preziosen „Raritäten und mehr“ von Ludwig van Beethoven

Ganz unvermutet verwandelt sich das vertraute Beethoven-Bild mit dem Klang der Mandoline, wenn Denise Wambsganß die Melodie tanzen lässt. Heiter beschwingend und fast schon ein bisschen euphorisch breitet sie sich aus, fernab von leidenschaftliche Dramatik und diesem energischem Furor, wie sie so viele Werke des Komponisten auszeichnen. Ein kleines Allegro bezaubert das Publikum bei den Göttinger ClavierTagen.

In seinen Sonatinen für Mandoline und Klavier schwärmt Beethoven im Miteinander von Melodiebögen und Verzierungen, die sich auf das Schönste umspielen. Er war vielleicht sogar ein bisschen verliebt in die Comtesse Josephine von Clary-Albingen, der er diese musikalischen Preziosen bei seinem Aufenthalt in Prag widmete, um die Nachwelt mit diesen zauberhaften Miniaturen zu beschenken. Raritäten und mehr hatte Gerrit Zitterbart für diesen Konzertabend in der evangelisch-reformierten Kirche angekündigt, aber nichts verraten über die magische Wirkung der Mandoline im Dialog mit dem Hammerflügel in diesem melancholisch anmutenden „Adagio“ der c-Moll Sonatine und in den funkelnden Klangbildern eines Andante con Variazioni.

Beethovens musikalische Liebeserklärung wollte Zitterbart ursprünglich mit der Mondscheinsonate verknüpfen. Am Hammerflügel vermochte er sein Handicap nach einem Fahrradunfall ebenso souverän wie charmant zu meistern, um für diesen Abend mit „Raritäten und mehr“ den chinesischen Pianisten Jiaming Li mit Beethovens Sonate C-Dur zu engagieren. Auch diese Sonate gehört zu den Frühwerken des Komponisten, in der er seine filigranen kammermusikalischen Skizzen dramatisch kontrastierte. Es sind gewaltige Energieströme, die Jiaming Li am Flügel in bewegenden Bildern zirkulieren lässt. Er spielt mit dem Sturm und Drang Furor, der sich in allen vier Sätzen entlädt und erstürmt Beethovens gewaltiges Klanggebirge auch technisch virtuos. Den Zuhörer:innen bleibt dabei allerdings kein Moment zum Innehalten, um die Fülle an Themen und Motiven zu reflektieren oder ganz schlicht auf sich wirken zu lassen. Sie sehnen sich mitunter auch nach dem romantischen Atem des Tondichters Beethoven, dessen Stimme in dieser hoch dramatischen musikalischen Tour de Force verblasst.
Sie sind in den Sehnsuchtstönen geborgen, die Felix Klieser mit seinem Naturhorn und Gerrit Zitterbart am Hammerflügel der frühen Beethoven-Sonate F-Dur für Horn und Klavier entlocken. Da entwickelt selbst ein aufmunterndes Allegro moderato seine poetischen Schwingungen, auch wenn es natürlich zunächst an eine Jagdgesellschaft denken lässt, die sich auf Beutezug begibt. Spürbar wird dabei auch das spielerische Vergnügen der beiden Musiker, wie sie sich wechselseitig in der Erforschung der Motive und der melodischen Streifzüge inspirieren und sie zu einer vielstimmigen Klanglandschaft formen. Und wie sie auch die Freude am Unterwegs sein gemeinsam mit ihrem Publikum genießen.

Tina Fibiger

Göttinger Tageblatt August 2021

ClavierTage 2021

Die Clavier-Tage zum 250. Geburtstag Beethovens waren ursprünglich für 2020 geplant, doch musste das kleine Festival aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt werden. Immerhin sind es noch vier Monate bis zu Beethovens 251. Geburtstag - die Verspätung hält sich also in Grenzen. Bis zum kommenden Freitag sind noch drei weitere Kammermusikkonzerte geplant.

Ursprünglich wollte Gerrit Zitterbart in allen Konzerten den Klavierpart selbst übernehmen - auf Instrumenten der Beethoven-Zeit aus seinem Clavier-Salon am Stumpfebiel. Doch ein Schlüsselbeinbruch machte den Plan zunichte, zum großen Bedauern des Pianisten, der am Sonnabend lediglich für den Einlass und die Begrüßung zuständig war. Für ihn war kurzfristig der Pianist Roland Krüger eingesprungen, ein Kollege Zitterbarts von der Musikhochschule Hannover. Er spielte am „normalen“ Konzertflügel, nicht am historischen Instrument.

Auch Cellist Leonid Gorokhov ist Professor an der Musikhochschule Hannover. Er eröffnete zusammen mit Krüger das Konzert mit Beethovens früher F-Dur-Sonate, in dem sich die erstaunliche Reife des damals 26-jährigen Komponisten erweist. Beide Partner behandelt Beethoven mit einer für die damalige Zeit erstaunlichen Gleichberechtigung und verlangt ihnen zugleich virtuose Höchstleistungen ab. Die bewältigten Gorokhov und Krüger auf unterschiedlich Weise: der Cellist mit leidenschaftlichem Ausdruck, mit einer Art von kultivierter Wildheit, die im Wesen Beethovens angelegt ist, der Pianist dagegen mit einer hochvirtuosen, bemerkenswert glatt polierten Geläufigkeit, wobei es den Anschein hatte, dass er das Tempo hier und da lieber noch ein wenig angezogen hätte.

Eine Eigenkomposition des Cellisten bildete das Intermezzo des Abends: Das vor einer knappen Woche in Celle von ihm uraufgeführte Stück „An Ox and a Nightingale“, das Gorokhov aus Anlass des Beethoven-Geburtstags 2021 geschrieben hat. Es steht in einem engen Bezug zu der Sonate, mit der das Konzert begann. Die nämlich hat Beethoven für Jean-Louis Duport komponiert, den ersten Cellisten der preußischen Hofkapelle in Berlin, zu dem Voltaire gesagt haben soll: „Sir, es ist ein Wunder. Sie haben den Ochsen in eine Nachtigall verwandelt.“ Gorokhov versammelt in diesem Stück all die virtuosen Kunststücke, mit denen Cellisten in dieser Epoche glänzten, und versetzte mit seiner geradezu phänomenalen Griff- und Bogentechnik sein Publikum in bewunderndes Staunen.

Mit Beethovens großer A-Dur-Sonate op. 69 krönte das Duo den Abend, einem Werk mit überwältigender melodischer Schönheit, mit einer wunderbaren Abgeklärtheit, die dennoch die Spuren jugendlicher Wildheit nicht verleugnet. In einer kurzen Einführung hatte Gorokhov dieser Sonate eine Liebeserklärung gemacht – in seinem ausdrucksstarken, kantablen Spiel ließ er diese Liebe warm leuchten. Den Cello- und Klavierpart hat Beethoven ganz eng verzahnt, das Publikum folgte den geistreichen, kultivierten Dialogen der beiden Instrumente mit uneingeschränktem Genuss. Für den begeisterten Beifall der rund 75 Zuhörer - mehr Besucher waren wegen der Corona-Abstandsregeln nicht zugelassen -bedankten sich die Musiker mit dem Andante aus Schuberts D-Dur-Sonatine. Die ist zwar eigentlich für Violine und Klavier komponiert, doch auf einem Cello klingen die Kantilenen schon beinahe wie ein Operntenor. Himmlisch.

Michael Schäfer 

Göttinger Kulturkalender Juni 2021

Hochauflösende Musik

Auch im Clavier-Salon von Gerrit Zitterbart wird wieder Musik gemacht. Am 12. Juni gab es gleich ein Beethoven-Doppelkonzert: Henryk Böhm sang den Liederzyklus An die ferne Geliebte, Stanislas Kim und Catherina Lendle spielten das Erzherzog-Trio. Am Bechstein-Flügel spielte jeweils Gerrit Zitterbart.

Die sechs Gedichte von Alois Jeitteles beschreiben die Liebe des Fürsten Joseph von Lobkowitz, der den frühen Tod seiner Frau Maria Karoline von Schwarzenberg betrauert. Der Zyklus ist wohl vom Fürsten bei Beethoven in Auftrag gegeben worden. „Nimm sie hin denn, diese Lieder, / Die ich dir, Geliebte, sang,/ Singe sie dann abends wieder / Zu der Laute süßem Klang.“
Henry Böhm sang diese Gedichte sehr einfühlsam. Mühelos beherrschte der Bariton den Wechsel vom kraftvollen Forte zum zarten Piano. In allen Lagen wirkte der Gesang unangestrengt – genauso wie das Klavierspiel von Gerrit Zitterbart. Anders als zahlreiche romantische Lieder wechseln diese Lieder häufig in Lautstärke und Tempo. Das ist durchaus eine Herausforderung an Sänger wie Klavierspieler. Beide gemeinsam konnten den großen Bogen der sechs Gedichte spannen.

Nur fünf Jahre früher ist das Klaviertrio B-Dur op. 97 entstanden. Beethoven widmete die Komposition seinem Schüler, dem Erzherzog Rudolph von Österreich. Die Violinistin Catherina Lendle und der Cellist Stanislas Emanuel Kim wurden jeweils mit zahlreichen Preisen bedacht. Für ihre Interpretation des Erzherzog-Trios hätten sie einen weiteren verdient: raumfüllend und mit erstaunlicher Reife gestalteten sie gemeinsam mit Gerrit Zitterbart die komplexen Sätze Beethovens. Raumgreifend füllten sie den Claviersalon mit den Klängen Beethovens – und achteten dennoch penibel auf Details, wie dynamische Entwicklungen, chromatische Tonfolgen und tänzerische Passagen. Geradezu symphonisch gestaltete das Trio diese Kammermusik. Hochauflösende Musik ist zurzeit ein wichtiger Begriff bei HiFi-Fans. An diesem Abend gewinnt dieser Begriff eine weitere Bedeutung: Lendle, Kim und Zitterbart lösten die großen, symphonischen Klänge wunderbar auf und machten die Details dieser Musik hör- und spürbar.

Jens Wortmann